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Aus der Historie

Seit der Mensch im Laufe der Evolution sein natürliches Fell verlor, kam der Bekleidung der gleiche lebenswichtige Stellenwert zu wie der Nahrung und der Behausung. Die erste Bekleidung bestand aus einfachem Fell und wurde vor
ca. 135 000 Jahren in der mittleren Altsteinzeit getragen. Bald reichte diese Art
der Bekleidung nicht mehr aus, und man begann Fasern aus Naturpflanzen für Bekleidungszwecke zu nutzen.

Mit steigender Lebensqualität und wachsender Weltbevölkerung erhöhten sich der Verbrauch und der Bedarf an Textilien stetig. Gleichzeitig musste die Bevölkerung
aber auch ernährt werden, so dass es bei der Nutzung der zur Verfügung stehenden landwirtschaftlichen Flächen zu Interessenkonflikten kam. In Europa musste letztendlich der Nahrungsmittel produzierenden Landwirtschaft – um das Überleben
zu ermöglichen – Priorität zulasten der Schafzucht und des Flachsanbaus eingeräumt werden. Damit stand dem Anbau von nachwachsenden Rohstoffen für die Textilindustrie in Europa nur noch eine kontinuierlich abnehmende Fläche zur Verfügung, so dass die Versorgung der Bevölkerung mit textilen Rohstoffen vom europäischen Kontinent selbst nicht mehr gedeckt werden konnte. Es wuchs die Bedeutung von Schafwolle, die aus Australien importiert wurde. Das bislang aus dem Flachsanbau erhältliche Leinen wurde von der Baumwolle verdrängt, die jedoch nur im subtropischen bis tropischen Klima wächst.

Es waren sowohl militärische Auseinandersetzungen, die des Öfteren zu Störungen der transatlantischen Transportwege führten, als auch gestiegene Ansprüche an Textilien, die den Wunsch drängender werden ließen, sich der bisherigen transkontinentalen Abhängigkeit von nachwachsenden Rohstoffen zu entledigen.

Noch im 19. Jahrhundert konkurrierten die Anbauflächen für die Bekleidung mit
denen zur Nahrungsmittelproduktion. Dieses ist vor dem Hintergrund verständlich, dass jeder Mensch statistisch berechnet ca. 1 ha fruchtbare Fläche bräuchte, wenn
er ausschließlich auf Naturprodukte zurückgreifen würde. Angesichts des Bevölkerungswachstums ist leicht erkennbar, dass wegen mangelnder Fläche andere Lösungen zur Deckung des textilen Bedarfs gefunden werden mussten.

Bereits 1665 entsprang dem Engländer Robert Hooke der Gedanke, künstliche Fäden aus einer zähflüssigen Masse herzustellen. Bis zur Realisierung dieser Idee musste jedoch ein weiter Weg gegangen werden, der von vielen Misserfolgen begleitet wurde. Das von Hooke formulierte Ziel wurde mehr als zwei weitere Jahrhunderte lang lediglich als phantastische Utopie angesehen.

1845 löste Christian Friedrich Schönbein Trinitrocellulose („Schießbaumwolle“) in Alkohol-Ether und stellte so Kollodium her. Aus einer solchen Lösung konnte der Schweizer Audemars 1855 erstmals künstliche Fäden herstellen.

Auf der Basis dieser Versuche gelang Graf Hilaire de Chardonnet zwischen 1878 und 1884 der Durchbruch zur Herstellung der ersten natürlichen Chemiefaser („künstliche Seide“, „Nitro-Kunstseide“) aus gelöster Dinitrocellulose, die ab 1890 industriell hergestellt wurde. Es folgten die Herstellung von „Kupferseide“ aus einer Lösung von Cellulose in Kupferoxidammoniak („Kupferseide“), die jedoch als Rohstoff relativ teure Baumwoll-Linters (3.5 mm lange Haare auf der Samenkapsel der Baumwolle) verlangte.

Bis heute Bedeutung hat die seit 1885 mögliche Herstellung von Viskosefasern aus dem in Natronlauge löslichen Cellulosexanthogenat sowie die seit 1865 gelungene Acetylierung von Cellulose („Cellulosetriacetat“), die durch Teilverseifung ab 1919
in industriellem Maßstab zur Acetatseide versponnen wurde.

Vollkommen unabhängig vom natürlichen Rohstoff Cellulose wurde man durch die Synthesefasern wie z. B. Polyamid 66 („Nylon“, 1935), Polyamid 6 („Perlon“. 1938), Polyacrylnitril (1942), Polyester (1941) oder Elastan (1958).

Nach dem zweiten Weltkrieg war dann der Siegeszug der Chemiefasern nicht mehr aufzuhalten. Mit Beginn der Massenproduktion von so erfolgreichen Chemiefasern
wie Polyacryl, Polyamid, Polyester, Elastan und Viskose wurden Lebensqualität und Lebensgefühl der Bevölkerung entscheidend verbessert.

Der Wettbewerb zwischen Agrar- und Bekleidungsindustrie um die begrenzten landwirtschaftlich nutzbaren Flächen war damit beendet. Verstärkte Faserproduktion ging nicht mehr zu Lasten der Bevölkerungsernährung.